Donnerstag, 31. Dezember 2009

Letzte Splitter

* Vor 10 Jahren, beim hochwichtigen Übergang von 1999 zu 2000, hatte ich drei interessante Einladungen zu Silvesterfeiern (so viel wie dann nie wieder), eines sollte ein Fest in Berlin bei einem italienischen Filmemacher mit schwarzen Augen sein. Der hatte meinen Cousin, bei dessen Geburtstagsparty wir uns kennengelernt hatten, zuvor schon zu wilden Beschützaktionen verleitet, aus Angst vor seinem strengen Onkel, der mein Vater ist. Ende 1999 wurde ich aber krank und hatte am 31. morgens ziemlich Fieber, so dass ich absagte. Kurz nachdem der letzte Zug des Jahres aus der Provinz Richtung Hauptstadt weggefahren war, ging es mir wieder besser. Den Jahreswechsel habe ich allein mit meinen Eltern verbracht, auf der Brücke über dem Hafen einer ausgestorben wirkenden Stadt. Es fehlten nur die Mistelbüsche, die über die Straßen wehten. Wenn wir auf unserem Weg doch auf vereinzelte andere Menschen trafen, sie mit unseren Sektgläsern grüßten und ihnen ein frohes neues Jahr wünschten, wirkten diese ausgesprochen befremdet. Huch! Menschen, die sprechen!
Von meinem Silvester-Date habe ich nie wieder gehört.
In den zehn Jahren danach habe ich unter anderem Examen gemacht, promoviert, in verschiedenen Brotberufen und brotlosen Berufen gearbeitet, meinen Mann kennengelernt und geheiratet und ein Kind bekommen. Wie vor 10 Jahren war ich aber bis heute morgen einigermaßen krank und feiere auch dieses Jahr (erstmals seit 2000) wieder mit meinen Eltern zusammen, dieses Mal aber mit Babykind, das hoffentlich das Knallen (ob hier geknallt wird?) verschläft. Ich bleibe noch ein paar Tage hier und will arbeiten, den Mann und Vater haben wir nach Berlin zum Tangotanzen geschickt. Vielleicht trifft er dort ja einen italienischen Filmemacher.

* 2009 war seit langer Zeit das erste Jahr, in dem ich auf keiner Beerdigung war. Dafür aber zu Besuch bei ein paar Neugeborenen auf Wochenstation und auf einer Hochzeit, und ich habe selbst eine Taufe ausgerichtet. Viel besser so. Bitte 2010 in der Art weiter.

* Erinnert Ihr Euch noch an Schwadroneuses wunderbaren Neujahrsgruß?

Wir sehen uns drüben!

Letztes Mal Klugscheißen 2009

1. Dieser Tag heute heißt übrigens Silvester, nicht Sylvester.
Und Sylvester ist auch keine hübsche oder putzige alte Form wie "Photo" oder "seyn", sondern offenbar am englischen Vornamen Sylvester (wie Stallone) orientiert, während Papst Silvester I., der Namensgeber für den 31.12. war, seinen Todestag im Jahr 335, auch damals schon mit "i" geschrieben wurde.

2. Das Jahrzehnt ist erst in einem Jahr zu Ende.

Was empfehlen Madame zu Silvester?

Auch das eine Frage von nebenan.

Madame empfiehlt eine rauschende Ballnacht. Sorgfältig herausgeputzt und in Schale geworfen mit dem/der Liebsten oder vielen Freunden tanzen gehen, zu grandioser Livemusik in prachtvollem Ambiente. Um Mitternacht erhitzt, beschwipst und schwindelig getanzt anstoßen und küssen. Sich vieles wünschen und weitertanzen. Morgens mit müden Füßen und glücklich durch den Schnee nach Hause laufen, bei den Freunden eingehakt oder beim Liebsten im Arm.

Wenn das nicht geht, könnte man auch versuchen, alle glückbringenden Silvesterbräuche unterzubringen, die man so kennt. Also zum Beispiel: Für die Zukunft zunächst Bleigießen, dann um Mitternacht anstoßen, Krapfen essen, auf einen Stuhl steigen, mit jedem Glockenschlag eine Weintraube essen, eine gelbe Unterhose tragen, mit einem Koffer um die zentrale Plaza laufen, "Auld lang syne" singen. Und sich wünschen, nächstes Jahr eine rauschende Ballnacht zu erleben. Oder ein Babykind zu haben, an dessen Bettchen man wacht.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Gute Vorsätze?

Folgendes bin ich drüben bei Formspring (ich probiere nur aus, so richtig ziehts aber nicht) gefragt worden, und man könnte es ja als Jahresendzeitcontent hier aufwärmen.

-- Gute Vorsätze? Oder über solche Albernheiten erhaben?

Sind gute Vorsätze Albernheiten? Wegen des äußeren Anlasses? Wenn ein relativ banaler äußerer Anlass wie ein Datum zu Reflexion über das eigene Tun und Lassen führt, über den eigenen Lebenswandel, den Umgang mit den anderen, über die eigentlichen, wesentlichen Ziele und wie man sich denen vielleicht annähern könnte - dann sehe ich nicht, was daran albern sein sollte. Oder ist der am 31. gehegte Glaube albern, dass nun aber wirklich ab dem 1. dauerhaft alles (und vor allem: man selbst?) anders wird? Vielleicht. Aber Anlässe braucht man, und Daten sind für mich durchaus bedeutsam und haben auch einen romantischen Aspekt. Und Innehalten und Überdenken kann so verkehrt nicht sein.
Hab ich nun gute Vorsätze fürs neue Jahr?
Letztes Jahr habe ich mir Silvester inbrünstig ein paar Dinge gewünscht: Dass das Kind in meinem Bauch gesund zur Welt kommen möge vor allem. Diese Wünsche haben sich alle erfüllt, und ich bin sehr froh und dankbar. Das fast vergangene Jahr war ein besonderes, ein Ausnahmejahr. Für das neue wünsche ich mir zum Beispiel, dass wir ein bisschen mehr Familienzeit haben und dass ich beruflich ein bisschen besser auf die Beine komme. Das kann man in Vorsätze umformulieren: Weniger Onlinezeiten, mehr Zeit zu dritt verbringen, mehr Konzentration. Alles etwas vage, aber leichter messbare Vorsätze wie "der Tante jeden Freitag eine Karte schreiben" oder "zum Frühstück nur noch Vollkorn" habe ich tatsächlich in dieser Runde nicht. Auch wenn man da sicher was tun könnte.

Die üblichen Fragen an die üblichen Verdächtigen

Zugenommen oder abgenommen?
Die ersten fünf Wochen zu, dann ab. Ziemlich.

Haare länger oder kürzer?

Gesamtlänge ähnlich. Aber ich habe nun einmal rund um den Haaransatz einen kleinen Still-Pony. Mit Eulen-Fransen hinter den Ohren und im Nacken. Dort überall sind die Haare erst ausgefallen und dann ab Spätsommer wieder nachgewachsen, und nun habe ich dort so etwa 5cm lange Fransen, die ziemlich merkwürdig aussehen.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

Nachgemessen: ein Auge gleich, das andere 0,25 Dioptrien kurzsichtiger.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Deutlich weniger für CDs. Deutlich mehr für Windeln.

Der hirnrissigste Plan?
Gleich nach dem Mutterschutz wieder arbeiten gehen. War aber auch ein guter Plan, andererseits.

Die gefährlichste Unternehmung?
Vermutlich die Geburt. Auch wenn ich bei diesem komischen Schneewetter nicht mit Blasensprung mit dem Fahrrad in den Kreißsaal gefahren bin, sondern nur bis nach Hause und mich von dort aus habe fahren lassen.

Der beste Sex?
Über sowas sprech ich nicht so gerne. Hatten aber vermutlich die anderen.

Die teuerste Anschaffung?
Direkt das Konto belastend: Zweieinhalb Flugtickets für nächstes Jahr nach Buenos Aires.
Wegen der Folgekosten: Baby B.

Das leckerste Essen?
Insgesamt eher unspektakulär. Sehr lecker jedenfalls: Freundin A.s Nudelsalat mit getrockneten Tomaten und Pinienkernen.

Das beeindruckendste Buch?
Viel zu wenig gelesen, viel zu wenig. Das schwierigste, aber auch beeindruckendste Buch dieses Jahr vermutlich: Juan Goytisolo, Señas de identidad. Blogeintrag dazu steht noch aus, seit einem halben Jahr.

Der ergreifendste Film?
Ich war dieses Jahr nicht (gar nicht) im Kino. Wah. Im Jahr davor waren es "No country for old men" und "Funny games". Einen wirklich ergreifenden Film habe ich dieses Jahr nicht gesehen, glaube ich.

Die beste CD?
Ich habe nur wenige CDs gekauft oder geschenkt bekommen dieses Jahr. Am meisten gehört habe ich verschiedene Aufnahmen vom Stück der folgenden Frage, Monteverdi: Marienvesper.

Das schönste Konzert?
Monteverdi: Marienvesper. Im Januar selbst gesungen. Wunderbares Bad in Musik.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Baby B. (Direkt gefolgt von Hausarbeitenkorrekturen, gefühlt.)

Die schönste Zeit verbracht mit…?
Baby B.

Vorherrschendes Gefühl 2009?
Das Gefühl, den einzigartigen Moment festhalten zu wollen. (Und das Gefühl, dass manche Momente dann doch zu lang sind, zum Beispiel die nachts zwischen 3 und 5, wenn die Zahnfee gerade Zähnchen bringt.) Glück. Wehmut. Überlaufende Tränen.

2009 zum ersten Mal getan?
Im Krankenhaus übernachtet. Ein Kind bekommen. Einen 3-Jahres-Vertrag unterschrieben.

2009 nach langer Zeit wieder getan?
Auf eine Nordseeinsel gefahren.

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Diese Abende allein mit dem Blues.
Drei Infektionen und eine falsche Behandlung.
Der Um- und Wegzug einer weiteren Freundin.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dass beide-in-Teilzeit und beide-beim-Baby die beste Lösung ist.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Naja, geschenkt. Aber im weiteren Sinne, uns allen: Baby B.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Baby B.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
"Guten Morgen, Mutti."
"Mamamam."
"Ich wollte Sie fragen, ob Sie noch möchten."
"Oh ja, furchtbar gern."

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Vielleicht: "Er ist gesund, es geht ihm gut, es ist alles in Ordnung."

2009 war mit einem Wort…?
Ganz offensichtlich: Baby B.

Montag, 28. Dezember 2009

Last man laughing

Mal wieder was fürs Gesichterblog.


Das Training hatte sich gelohnt. Am Ende des Tellervölkerballs Reis gegen Erbsen war nur noch er übrig. Gewonnen! Allein unter Körnern! Ein Grund zu echter Freude.

Freitag, 18. Dezember 2009

Nach Hause kommen

Unser Babykind soll schlafen lernen, zum Teil durch - Paradoxon hin oder her - Wachhalten. Wir versuchen einen Rhythmus zu etablieren, er soll nachts schlafen (und zwar ein bisschen am Stück), und er soll mittags schlafen (und zwar länger als 20 Minuten). Dafür bringen wir ihn ordentlich ins Bett, mit Schlafsack an und Mobile pusten, und die erquickenden Managerschläfchen von 20 Minuten, die er gerne stattdessen zweimal täglich gehalten hat, sind gestrichen. Im Prinzip klappt das gar nicht so schlecht, aber wenn es nachmittags etwas spät wird und wir im Dunkeln eine Dreiviertelstunde nach Hause laufen und es im Kinderwagen so kuschelig warm und um die Nase so angenehm kühl ist, wenn die Müdigkeit groß und das Hubbeln und Rumpeln die Augen immer zuklappen lässt - dann muss Mami handeln. Wachhalten durch Essen (Brotrinden eignen sich), Wachhalten durch Erzählen und Blickkontakt, Wachhalten durch Singen, Wachhalten durch Singen und Klatschen, Wachhalten durch schwungvoll Anschieben und trocken Abbremsen. Wenn das alles nicht mehr hilft, hilft manchmal noch Rennen, denn so herumzusausen ist wahnsinnig komisch und man muss sehr lachen und kann beim Lachen nicht einschlafen.
Gestern Abend gingen wir in Lauseskälte nach Hause, der Tag war lang, der Weg war weit, und dem Babykind fielen keine zehn Minuten vor zu Hause die Augen immer gründlicher zu, trotz Singen, trotz Erzählen, und das Brot war schon lange heruntergefallen. Als uns die Gruppe Fahrradfahrer überholte, in einem kleinen Gang, denn es geht von hier aus nur noch bergauf, sang ich noch laut "Bereite Dich, Zion", doch das half nicht mehr. Also blieb, entweder das Kind schlafen zu lassen und nachts halt mal wieder nicht - oder Rennen. "Hey", rief ich ihm zu, "wir rennen einfach nach Hause", und dann schob ich die Geschenkpapierrollen fester in den Korb, hielt meine Handtasche fest und rannte los, bergauf, "Lachend, lachend, lachend, lachend, kommt der Sommer über das Feld!" Es half, Kind wachgehalten und Abend gerettet.
Für die Gruppe Radfahrer, die wir kurz vor zu Hause wieder überholt haben, tut es uns leid. Auf dem Fahrrad von einer singenden Frau, die einen Kinderwagen mit quietschendem Baby schiebt und den Berg hochrennt, überholt zu werden, muss sich ziemlich doof anfühlen. Und vielleicht auch doof aussehen. "Ich kann meine Mama rennen lassen, so viel ich will!"
Wir brauchen vielleicht eine Klingel.

Sonntag, 13. Dezember 2009

Das kurze Hemmed [Fragen an die Leser]

Kennst Du das einsame Hemmed?
Letztens schrieb ich "und da sitz ich nun in meinem kurzen Kleid", was natürlich eine an die Realität angepasste Verdrehung von "nun steh ich hier in meinem kurzen Hemd" war. (Oder wie heißt es: Nun steh ich hier? Nun steh ich da? Nun stand ich da?) Isabo und ich überlegten vorhin, wo das eigentlich herkommt. Da wir beide das kurze Hemd kannten und Google auch, schließen wir Familienslang aus, ich tippe als Ursprung auf irgendeine Theater-Oper-Literatur-Quelle. Diese allerdings kennt Google nicht, oder zumindest nicht unter den ersten zig Treffern.
Weiß es einer unserer kundigen Leser? Ist das kurze Hemd, in dem man nun steht, einfach Volksmund, oder überlebt hier ein Zitat völlig losgelöst von seinem ihn einst umhüllenden Text? Einsam wie das Knie, das einsam durch die Welt geht. Oder das einsame Hemmed. (Flattertata, flattertata. Der's trug, ist baß verdämmet!/ Flattertata, flattertata. Es knattert und rattert im Winde./ Windurudei, windurudei. Es weint wie ein kleines Kinde./ Windurudei, windurudei. Das ist das einsame Hemmed.)
Das einsame Hemmed kommt von Morgenstern, doch wem gehört das kurze?

Freitag, 4. Dezember 2009

Entscheidunghilfe. Ein Aufruf.

Habe ich eigentlich noch Leser? Ich brauche mal ein wenig Entscheidungshilfe von den Fotografen unter Euch.
Bis vor kurzem war ich ausschließlich und aus Überzeugung Analog-Fotografin.
Meine erste "richtige" Kamera war die Pentax p30T. Ich habe die Kamera sehr gemocht, sie war mehrfach mit in Südamerika und hat zu meiner großen Erleichterung dort auch auf einem Küchentisch eine aufwendige Reparatur nach Trümmerbruch überlebt. Sie braucht allerdings sehr viel Licht, war deshalb eigentlich nur für Außenaufnahmen bei Tageslicht geeignet und hat einen hart fallenden Spiegel, so dass man beim Auslösen richtig gegenhalten und stabilisieren muss. Abgelöst wurde diese Kamera von einem überraschenden Geschenk. Zusammen mit einem enormen Ringblitz-Objektiv schenkte mir eine Urlaubsbekanntschaft eine wunderbare alte Contax mit einem schönen Zeiss-Objektiv (1,7/50). Großes Glück! Ohne Automatik-Einstellungen habe ich an dieser Kamera zum Beispiel gelernt, Blenden selbst zu wählen, und ihr zuliebe die Pentax offenbar sehr plötzlich ins Regal verbannt, jedenfalls stelle ich gerade fest, dass noch ein Film in der Kamera ist. Die Bilder dürften etwa drei Jahre alt sein - entwickeln oder als Überraschungsei für die Enkel in der Kamera lassen? Aber bis dahin gibt es vielleicht niemanden mehr, der Filme entwickeln kann.
Auch in der Contax ist seit längerem ein begonnener Film (16/36 Bildern), denn als Baby B. einige Wochen alt war, habe ich mir eine digitale "Handtaschenkamera" dazugekauft, die kleine und hübsche Canon Ixus 95IS. Die habe ich immer dabei, sie ist serientauglich und hat sich vor allem für die Alltagsdokumentation sehr bewährt - und die schöne Contax schon ziemlich verdrängt.
Nun überlege ich seit längerem, die ehrlicherweise nicht von der Hand zu weisenden Vorteile der digitalen Kameras mit der Freude am "richtigen" Fotografie - und nicht nur Knipsen - zu verbinden und liebäugele mit einer größeren digitalen Kamera, einer digitalen Spiegelreflex.
Nur: welche?
Im Angebot haben wir gerade eine Canon EOS 1000D mit Sigma-Objektiv (18/200, leider ohne Stabilisator) gesehen. Vermutlich eine Kompromiss-Kamera, aber mein Budget lässt auch nur Kompromisse zu.
Alternativ stehen auf der Liste gerade die Canon EOS 450D und die Nikon D60.
Ich habe die etwas bessere Canon 500D in der Hand gehabt und war leider nicht ganz und gar überzeugt, neben dem merwürdigen Plastikbody - ich komme eben von einer Kamera mit solidem Metallgehäuse und Lederetui - fehlt mir vor allem eine intuitive Handhabung von Blenden. Die Blende durch Drehen am Objektiv zu verstellen finde ich schon sehr angenehm, aber das scheint es bei Objektiven digitaler Kameras eher nicht zu geben (?).
Hat hier jemand Erfahrungswerte? Tipps? Ratschläge?
Oder sollte ich das Thema nochmal von vorne aufrollen und auch über Bridge-Modelle nachdenken - wenn ja, warum und welche?
Wegen des begrenzten Budgets bewege ich mich wohl im Bereich der "Einsteigerkameras". Was ich eher nicht brauche ist eine Film-Funktion; was ich nicht so gerne mache, ist die Fotos hinterher am Computer zu bearbeiten. Ich würde gerne ohne viel Komplikationen Funktionen wie Blende einstellen können und ich möchte selbst aussuchen können, auf welcher Ebene / was ich scharf stelle (der Autofokus, den ich von meinen analaogen Kameras nicht kenne, sollte also nicht alles immer bzw. automatisch selbst entscheiden). Die Kamera - bzw. das Objektiv - sollte für Makro-Aufnahmen geeignet sein und auch ohne Blitz für Innenaufnahmen funktionieren.
Welche Kamera mir gut in der Hand liegt und einfach "gefällt", kann ich natürlich nicht fragen, ansonsten wäre ich für Berichte und Hinweise dankbar.

Dienstag, 24. November 2009

Die verbreitete Angst vor Satzzeichen

Kleine schriftliche Diskussion über Waldorfkindergärten. Eine der beteiligten Damen äußert sich unter anderem so:
Mehr weiss ich nicht über die Robert Steiner Schulen (hat das was mit Waldorf zu tun?) und den Lehren die sich daraus entwickelt haben... Apostrophobiker oder so ähnlich, haben ihre eigenen Ansichten zu Medizin und Medikamenten [...]
Apostrophobiker! Ich bin auch Apostrophobiker! Vor allem habe ich große Angst vor Deppen-Apostrophen wie in "dienstag's" oder "Frühstück's" und vor eigenen Ansichten zur Zeichensetzung.

[Danke, Kathi!]

Was ich gerade

Mal wieder ein Stöckchen, mitgenommen von der Kaltmamsell. Scheint keinen richtigen Namen zu haben, aber bei Coolcat heißt es "some dramatic details on the rock'n'roll lifestyle of... uhm, me." Genau.

Sechs Namen, auf die du hörst
1. Percanta
2. klassische weibliche Vornamen mit 3 oder mehr Silben
3. Frau und irgendeine Kombination aus Bestandteilen meines Nachnamens
4. Fiepe
4. Amor
5. Schwesti
6. Mamamam

Drei Dinge, die du gerade trägst
1. schlammfarbener Strickmantel
2. in sich gemustertes Goldkettchen von meiner Mutter
3. es. Mit Fassung.

Drei Dinge, die du dir wünscht
1. Zeit
2. gute Haut
3. mehr Brun@s resp. Artverwandte

Drei Dinge, die du gestern, gestern Nacht und heute getan hast.
[meint dieses "und" hier wirklich UND? Also sowohl gestern als auch gestern Nacht als auch heute? Ich les es mal so]
1. Kind herumtragen
2. Haare zusammentüddeln
3. auf den Wecker gucken und gleich wieder vergessen, wie spät es war

Zwei Dinge, die du heute gegessen hast
1. Birne
2. Schokolade

Zwei Leute, mit denen du zuletzt telefoniert hast
1. Mutti
2. Freundin A.

Zwei Dinge, die du morgen tun wirst
1. Lateinamerikanische Lyrik des 20. Jahrhunderts unterrichten
2. Bananen zermatschen

Drei Lieblingsgetränke
1. schwarzer Tee
2. dieser Veitshöchheimer Wein
3. Campari O (wenn ich mich recht erinnere)

Sonntag, 22. November 2009

Es schaut



"Es lebt, es schaut dich an." Des Herrn Giardinos Art die Welt zu sehen passt ganz wunderbar zu der meinen, und inzwischen spiele ich mit und sammele sie auch, die Schalter, Türklinken, Baumstämme, Müllcontainer, Blumen hinterm Zaun, die einen unverwandt an- oder, wie dieser Stromkastenpilzhund, sinnend in die Ferne gucken. Nicht nur die noch wenigen von mir inzwischen entdeckten, sondern sehr viele zum Teil schlichtweg grandiose Gesichter sind hier zu bewundern. Gehen Sie hin, schauen Sie zurück, und bringen Sie besser ein bisschen Zeit mit.


Mittwoch, 11. November 2009

Männergespräche

Der Babysohn produziert mit nun neun Monaten Laute vielerlei Art, die sich trefflich zum Interpretieren eignen. So war das Taufkleid seiner Meinung nach "eng!"und wer die Treppe hochkam war natürlich und völlig richtig "Opa". Gestern hörte ich aus dem Wohnzimmer, wo Mann und Sohn spielten, diesen Dialog:

Baby B [klar und deutlich]: "albern."
Percanto [entrüstet]: "Was? Du sagst, ich wäre albern?!"
Baby B: "Naaaa! Mamam."

Alles klar, Jungs.

Dienstag, 10. November 2009

Kunst am Bau

Bei der Arbeit wird gebaut. Das gilt momentan auch, wenn man kein Maurer ist, bei uns Geisteswissenschaftlern wird jedenfalls gerade ein Gebäudeteil abgerissen und draußen wird planiert und ein anderes Gebäude zerbröselt und irgendwann soll dort ein neues Superdupergebäude entstehen, was an unseres angeschlossen wird.
Direkt hinter der provisorischen neuen Außenmauer aus weißen Ytong-Steinen sitzen Kollegen von mir in ihren Büros, so gut es geht nehmen sie die Baggerzähne hinter ihren Schreibtischen mit Humor. Manchmal fühlt es sich allerdings auch im dritten Stock nicht so an, als hätten die da draußen die Abrissbirne richtig justiert.

Von innen sieht der Gang, der an der Abrisskante endet, so aus - 9. November, ick hör Dir trappsen:


Zoom [Klicken aufs Foto vergrößert es jeweils noch mehr]:



Und plötzlich ist überall Kunst! Underground! Vor einem Fenster im Flur weiter vorne beispielsweise dies:


Nahaufnahme:


(Gut, der Kommentar "Anonyme Installation", wenn kein Name dabei steht, ist ungefähr so sinn
voll wie der Untertitel "ohne Worte" unter einem Cartoon ohne, nun ja, Worte.)
Nur wenig weiter den Flur runter geht es gleich weiter mit dieser Installation:


Was mag sie bedeuten? Das Schild verrät es gewiss:


Ok. Es ist doch nicht überall Kunst.

Sprachkenntnisse

Mein Chef ist ein von Haus aus vielsprachiger Schweizer, der auch weitere Fremdsprachen fließend beherrscht und außerdem eine binationale - und zweisprachige - Ehe führt. Zu seinem Hausstand gehört außer dem Ehepaar auch ein großer Amazonaspapagei. Wir sprachen heute kurz darüber, ob sich nach ihrem Umzug nach Deutschland inzwischen alle gut eingelebt hätten und, scherzhaft, ob der Papagei eigentlich Hochdeutsch spreche. Und welche Sprachen er überhaupt beherrsche?
Der Papagei ist natürlich zweisprachig aufgewachsen, er spricht Schweizerdeutsch und Spanisch. Hochdeutsch bisher nicht, und mein Chef habe es auch eine Zeitlang mit Portugiesisch versucht, aber er lerne es nicht richtig. Dabei sei es doch seine Muttersprache. Die des Papageis.

Dienstag, 27. Oktober 2009

Jetzt noch mehr Zustellservice

Wie wir uns erinnern, hatte ich rekonstruiert, dass der GLS-Fahrer ein Paket für Frau Percanta in der 321 abliefern sollte, es dann bei Frau Creuz* in der 317 abgegeben und dem Hausmeister irgendeiner Schule in der Nähe einen Zettel in den Briefkasten geworfen hat, dass das Paket bei Kreutz in der 319 sei. So weit war ich am Samstag nach Gesprächen mit einer Frau Schiller beim Versand (telefonisch), Frau Schmuhl aus der 319 und schließlich Frau Creuz aus der 317.
Am Montag bin ich also in die Astrid-Lindgren-Schule, die erste der vier Schulen in unserer Straße gegangen und hatte vielfaches Glück: Da es sich um eine Schule für körperbehinderte Kinder handelt, war alles barriefrei und somit auch für Kinderwagen zu erreichen. Gleich im Rollstuhl-Reparatur-Raum hinter dem Eingangsbereich fand ich außerdem einen Lehrer, der mir weiterhelfen konnte. "Sie sind das! Ja, das Paket liegt bei uns. Ehrlich gesagt haben wir sie eher erwartet!" Ich erklärte dann in einer Kurzfassung, dass die Odyssee schon etwas länger dauerte und ich durchaus früher gekommen wäre und meinen Krempel abgeholt hätte, wenn ich nur! hätte ich nur! einen Hinweis! wenn ich nur gewusst hätte. Im Sekretariat stand es dann tatsächlich: Das Paket. Ein hoffnungsfroher Mensch hatte einen grünen Zettel angeklebt. "Paket wird abgeholt!" Der Lehrer vertraute den Karton Baby B. an, ich bat nochmal um Entschuldigung, dass es so lange gedauert hatte, alle waren sehr nett und fröhlich und wir machten uns mit der Beute unserer Schnitzeljagd auf den Heimweg.
Zu Hause inspizierte ich zunächst den Benachrichtungszettel, den der Hausmeister der Schule bekommen hatte. Dort steht - bitte memorieren Sie die bisherigen Informationen zum Verbleib des Pakets - folgendes:
"Sehr geehrte/r Frau/Herr Dr. Lindgren Schule
wir haben heute versucht, eine Sendung zu Ihnen zuzustellen/abzuholen, Sie aber nicht angetroffen.
Versender: Lindgren Schule
Bemerkungen: bei Schmuhl abh. Nr. 317."

Äh.
Schmuhl wohnt in 319, das Paket war wie angegeben in 317, aber bei Creuz, und Kreutz stand wiederum (allerdings in Kombination mit 319) auf dem Online-Benachrichtungszettel.
Und wie kommt er darauf, dass "Dr. Percanta" gleich "Astrid-Lindgren-Schule" ist und dass Herr/Frau Lindgren-Schule einen Doktortitel hat und außerdem gleichzeitig Empfänger und und Versender der Ware ist?
Man weiß es nicht.
Schön war dann noch der Moment, als ich das Paket auspackte, und der passend zu unserem tomatenroten Wagen bestellte Fußsack wunderhübch bordeaux war. Ein Anblick, scheußlich und gemein. (Farbauswahl war "rot", "orange", "olive", "braun", anscheinend waren sie sich bei Rot allerdings nicht einig.)
Also rief ich mal wieder Frau Schiller an, löste ihr zunächst das Paketsuchspiel auf und reklamierte dann die Ware. Sie würden die Waren selbstverständlich zurücknehmen und den Preis erstatten, sagte sie, fing dann aber leicht hysterisch an zu lachen: Allerdings würden die Rücksendungen von GLS abgeholt.
Da sie selbst es für keine gute Idee hielt, den Fahrer nochmal zu uns (und zu Frau Schmuhl, Frau Creuz, dem Hausmeister und Dr. Lindgren Schule) zu schicken, hat sie mir angeboten, ihr das Paket "irgendwie" zurückzuschicken, sie würden uns alles erstatten. Das machen wir jetzt.
Übrigens suchen wir nun ein Gitterbett. Wir haben im Internet auch eins gefunden, was uns gefällt. Versandkosten sind im Preis inklusive und man kann per Überweisung zahlen. Die Ware wird mit GLS versandt.
Fährt zufällig bald jemand mit einem großen Auto von Bayern nach Norddeutschland?



*Die Namen sind wie immer baugleich, aber leicht abgewandelt.

Samstag, 24. Oktober 2009

Zustellservice

Da Baby B. inzwischen versucht, aus dem wunderschönen Kinderwagen aus den 70ern auszusteigen (und zwar bei voller Fahrt und ohne Schulterblick), habe ich vor einigen Wochen einen Fußsack für die Karre bestellt. Zeit umzusteigen. Bereits bei der Produktbeschreibung stand, dass dieser Fußsack momentan etwa 10 Tage Lieferzeit hätte. Okay. Nach etwa zwei Wochen bekam ich eine Mail, die Ware sei verschickt worden. Zwei Tage später eine neue Mail: Irgendwie sei da was schiefgelaufen, leider mussten sie den Fußsack noch einmal neu bei der Firma XY bestellen, da sie ihn nicht mehr finden könnten und davon ausgingen, dass das Lager ihn einer anderen Kommission zugeordnet habe. Sie baten um Nachsicht. Am gleichen Abend wieder eine Mail: Huch, der Fußsack sei doch wieder im Lager aufgetaucht, jetzt aber ginge er an mich. Am nächsten Morgen kam dann auch die Mail mit der Versandbestätigung.
Soweit in Ordnung. Dass man mal was nicht findet, verstehe ich bestens, und die Kommunikation hat ja gut funktioniert. Fünf Tage nach der Versandbestätigung war allerdings immer noch nichts da, so dass ich mal in den Link der Mail guckte, wo man den Stand der Dinge verfolgen kann. Und dann wurde es interessant, in der Sendungsverfolgung von GLS fand ich folgende Angaben:

16.10.2009 15:33 DE 350 Guxhagen, Deutschland 3.0 Zugestellt
16.10.2009 15:32 DE 350 Guxhagen, Deutschland 4.40 Nicht zugestellt da Kunde nicht angetroffen
16.10.2009 15:31 DE 350 Guxhagen, Deutschland 90.132 Empfänger kontaktiert Betrifft Benachrichtigungskarte

Es sind also für den 16.10.09 im Minutentakt zueinander widersprüchliche Angaben notiert. Tatsächlich waren wir am 16.10. den ganzen Tag nicht zu Hause, und die einzige Angabe, die stimmte, war "Nicht zugestellt da Kunde nicht angetroffen". Wir hatten keine Benachrichtigungskarte im Briefkasten, zugestellt wurde das Paket erst recht nicht.
Die Benachrichtigungskarte ließ sich aber anklicken, und dort stand:

Information: Ihr Paket wurde bei KREUTZ zugestellt. Bitte holen Sie es dort ab.
Zustell-Datum: 16.10.2009
Signatur: KREUTZ

Es ist zwar lästig, wenn man das nicht durch einen Zettel im Briefkasten erfährt, aber ich bin ja guten Willens. "Kreutz" kannte ich nicht, aber das kann bei einem Haus mit etwa 20 Parteien ja vorkommen, ich würde sie sicher auf einem der Klingelschilder finden. So dachte ich, so irrte ich. Bei uns im Haus wohnt kein "Kreutz", auch niemand mit ähnlich klingendem oder verwechselbar geschriebenem Namen. Das Telefonbuch half auch nicht weiter, nur eine Frau Teich-Kreutz gab es, allerdings in einem ganz anderen Viertel. Ich habe also wieder an die Firma geschrieben, bei der ich bestellt hatte, und sie gebeten, sich zu kümmern, was sie versprachen.
Nach zwei Tagen habe ich mal angerufen, und nach wenigen Minuten wussten sie, worum es ging, wollten sich kümmern und mich wieder anrufen. Das klappte auch, sie hätten den Fahrer befragt, Ergebnis: Herr oder Frau Kreutz wohnt gar nicht bei uns in der 321, sondern in der 319. Wie man darauf kommt, das Paket nicht bei einem der Nachbarn im Mehrfamilienhaus, sondern ein Stück weiter die Straße hoch abzugeben (und die Benachrichtung geheim zu halten), konnte sich die Dame am Telefon, der das Ganze sehr unangenehm war, auch nicht erklären. Ob sie den Fahrer dorthin schicken sollten. Ich wollte lieber selber gehen, und das tat ich heute. In der 319, einem Einfamilienhaus, stand ein anderer Name an der Tür, ich klingelte trotzdem. Die nette Frau war auch nicht Frau Kreutz, wusste jedoch, wo diese wohnt: noch ein Stück die Straße rauf. Frau Kreutz hieß dann tatsächlich Frau Creuz, darum hatte ich sie auch nicht im Telefonbuch gefunden, war aber zu Hause. Sie konnte sich allerdings zunächst nicht erinnern. Dann fiel ihr ein, doch, da war ein Paket, sie hätte auf den Namen geguckt, ob ich einen Doktor hätte? - Ja. - DAS Paket hätte sie bekommen, aber der Fahrer hätte ihr gesagt, es sei für die Schule dort hinten. Der Hausmeister sei benachrichtigt worden, habe der Fahrer gesagt, und weil ja Ferien waren, habe sie es entgegengenommen. Da aber auch diese Woche keiner von der Schule gekommen sei, hätte sie es schließlich selbst ins Lehrerzimmer gebracht.
Wo es vielleicht noch liegt.

Lieber GLS-Fahrer! Sie haben ein Paket für Frau Percanta in der 321, geben es bei Frau Creuz in der 317 ab und werfen dem Hausmeister irgendeiner Schule in der Nähe einen Zettel in den Briefkasten, dass das Paket bei Kreutz in der 319 sei, soweit richtig rekonstruiert? Was sollte das werden? Ostern? Schnitzeljagd? Eine Folge Drei Fragezeichen mit versteckter Kamera?

Morgen ist Sonntag, Montag geh ich dann mal in die Schule und befrage ich die Lehrer. Oder klöppel mir selbst einen Fußsack.

Wörter basteln

Ju (3) schneidet energisch Streifen aus einer Zeitschrift. "Ich bastele eine Maske", erklärt er. "Die guckt ganz böse. Eine Grimaske."
Wort des Monats, mindestens.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

This is a man's world


Gut, wenn man beim Schreiben auf den Namen auf dem Aufsteller guckt, ist es schwierig, man kann sich verunsichern lassen, das seh ich ein. Aber Deklinkationshilfen gibt es doch an jeder Ecke! Man muss sich nur ein wenig umgucken, schon wird einem auf die Sprünge geholfen:



Freitag, 9. Oktober 2009

Herbst


Wenn es Herbst wird, legen die kleinen Feen ihre Flügel ab. Und gehen schaukeln.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Entscheidungsträger

Seit etwa einem Jahr gehört zu meiner Arbeit auch, Personalentscheidungen zu treffen. Das heißt, dass ich Bewerbungen sichte, sortiere, beurteile, dass ich für mich entscheide und in einer Gruppe begründe, wen ich einladen will und wer sofort eine Absage bekommen soll. Wenn die Kandidaten kommen, um eine Art deutlich erweitertes Vorstellungsgespräch zu führen, sitze ich auf der anderen Seite des Tisches, lächele sie an, stelle ihnen Wasser hin, stelle Fragen, mache mir Notizen. Wenn wir hinterher diskutieren, habe ich erst Argumente für und gegen die einzelnen Kandidaten und meist ein Bauchgefühl und am Ende habe ich eine Stimme. Und dieses Ja oder Nein gebe ich zu Protokoll und entscheide so - nicht allein, zwar aber doch deutlich direkter als bei einer politischen Wahl, wo ich (nur) mein Kreuz auf einen Zettel setze. Alles ganz normal.
Dennoch wird es mir zwischendurch immer wieder bewusst, was ich da eigentlich tue. Dass ich mit meiner Meinung, meiner Stimme, über die berufliche und familiäre Zukunft von Menschen entscheide. Ich entscheide mit dieser Stimme ja nicht nur, wer unser neuer Kollege wird und mit wem ich nächsten Winter zusammenarbeite, sondern ich entscheide auch, ob jemand aus Spanien nach Deutschland zieht. Ob jemand den Sprung von seinem alten Berufsbild in eine neue Richtung schafft. Ob jemand nach seiner Rückkehr aus Mittelamerika eine schlecht bezahlte, aber doch für ein paar wenige Jahre sichere Stelle hat, oder ob es doch erst mal mit Honorarjobs weitergeht.
Wahrscheinlich ist es gut, sich das gelegentlich vor Augen zu halten, wenn man schnell und vielleicht voreilig die Tafel mit der schlechten B-Note zücken will. Und ich bin froh, dass es in meinem Beruf nicht üblich ist, diese Art von Entscheidungen alleine zu treffen. Trotzdem ist es ein merkwürdiges Gefühl, heute Nachmittag wieder einmal darüber entschieden zu haben, wer weiter Bewerbungen schreiben muss und wer sich ein Zimmer hier in der Provinz suchen sollte, weil wir bald eine Menge Arbeit für ihn haben. Und versuche mir vorzustellen, was die Kandidatin, auf die heute die Wahl gefallen ist, wohl gerade macht. Ich hoffe, sie steht zum Beispiel mit einem Glas Wein auf dem Balkon und ist mit sich und der Welt zufrieden.

Mittwoch, 30. September 2009

Victoria!

Der Zahn ist da!

(Klassisch unten links, jetzt ist die scharfe Kante durch.)

Dienstag, 29. September 2009

Wie lieblich


Wenn man früh morgens mit dem munteren Baby am Fenster steht, kann man sehen, wie die Stadt das Plakat für das Konzert am Abend nachstellt. Wie lieblich.

Montag, 28. September 2009

Sonntag Abend

Das Konzert gestern endete exakt um 18 Uhr.
"Einiges war schon sehr schön", so die vorläufige Kritik, und einer der schönsten Momente war vielleicht der, als der Maestro unmittelbar nach dem Verklingen des Schlusstons dezent den Ärmel ein wenig hochschob, auf die Uhr schaute und in den beginnenden Applaus hinein den Chor fragte: "Hat jemand die Hochrechnungen? Ist sie es noch? Ist sie schon weg?"

(Sie ist es noch. Und wir haben noch zweimal die Chance, auch nach dem Schlussakkord noch seriös zu wirken.)

Donnerstag, 24. September 2009

Veranstaltungshinweis: Musik

"Wie lieblich"
Doppelchörige Chorwerke und Saxophon-Improvisationen

Werke von Claudio Monteverdi Heinrich Schütz Johann Sebastian Bach Felix Mendelssohn Bartholdy Trond Kverno

Samstag, 26.09.2009 20 Uhr Braunschweig, St.-Andreas-Kirche
Sonntag, 27.09.2009 17 Uhr
Hildesheim, St. Michaelis

und dann nochmal im Oktober:

Samstag, 17.10.2009, 20 Uhr
Tübingen, Stiftskirche

Sonntag, 18.10.2009, 17 Uhr
Darmstadt, Stadtkirche

regerchor Braunschweig
Hanns-Wilhelm Goetzke, Saxophon
Leitung: Karl Rathgeber

Eintrittskarten für die Konzerte in Hildesheim, Tübingen und Darmstadt erhalten Sie an den Abendkassen. Eintrittskarten für das Konzert in Braunschweig erhalten Sie auch an den üblichen Vorverkaufsstellen und bei Ticket Online

Ich geh dann mal proben.

Sonntag, 20. September 2009

Medienkompetenz: Ungelöst

Und da wir gerade dabei sind und überall die Nachrufe auf Eduard Zimmermann verlesen, gesendet, online gestellt werden:
Wir haben das früher zu Hause nicht gesehen - oder ich nicht, ob es meine Eltern gesehen habe? Ich glaube kaum. Spät, als ich schon in dieser Stadt und mit diesem Mann zusammen lebte, hatte ich erstmals einen Fernseher, und bin an einem Abend in diese Sendung geraten, der Vorspann lief noch. Gut, dachte ich, "Aktenzeichen XY ungelöst" ist Fernsehgeschichte, dachte ich, ich kann ja mal sehen, wie das so ist, auch wenn es mich nicht wirklich brennend interessiert.
Es begann direkt mit dem nachgestellten Filmchen, eine Frau nachts allein im Auto, etwas auf der Rückbank, grünes Licht, am Ende war das Auto gegen einen Baum gefahren und die junge Frau tot. Sie begannen den Fall aufzuwickeln, was hatte die Frau abgelenkt? War jemand auf der Rückbank? Und wer? Die raunende Stimme und das grüne Licht haben mich etwas erstaunt, aber völlig verwirrt war ich, als sie begannen, das Eingreifen von Aliens in Betracht zu ziehen. Erst dachte ich, ich hätte mich verhört, aber nein! Aliens. Es wurde pseudowissenschaftlich erklärt, alle Spuren schienen darauf hinzudeuten, dass diese junge Frau leider ein Opfer von, nun ja, Aliens geworden war.
Die andere junge Frau vor dem Bildschirm war erschüttert. Ich hatte das für eine stockbiedere, aber irgendwo doch ehrwürdige Sendung der deutschen Fernsehgeschichte gehalten! Mit Hornbrille und Akten und zutiefst ernsthaftem Bemühen, echte Kriminalfälle aufzuklären. Irritiert und empört habe ich die Kiste ausgeschaltet, bevor Eduard Zimmermann überhaupt selbst das Wort ergriffen hätte.
Später habe ich erfahren, dass es sich bei "Aktenzeichen XY ungelöst" und "Akte X" um unterschiedliche Sendungen handelte und Eduard Zimmermann nur in der ersten auftrat.

Vorteil

Das Gute daran, wenn der Mann krank ist: Der Mülleimer riecht toll nach Pfefferminztee.

Haustürgeschäfte

Das Baby ist gerade eingeschlafen, als es klingelt. Ich hechte zur Gegensprechanlage, "ja?"
"Guten Tag, ich hab hier einen Katalog für Sie." Im Moment bekomme ich eine ganze Menge Kataloge, die zwar eigentlich alle in den Briefkasten passen, aber vielleicht ist der schon oder noch voll. Ich sage dem Boten, dass ich ans Fenster komme, er solle kurz warten. Das Fenster zum Hof ist meine private Abkürzung für alle Post- und Paketboten, aus dem Erdgeschoss kann ich durch dieses Fenster alles entgegennehmen und unterschreiben, muss dafür aber nicht einen U-Turn durchs halbe Gebäude bis zur Haustür machen und habe ein Ohr in der Wohnung. Der freundliche Paketmann steht inzwischen immer schon direkt am Fenster, nachdem er mich herangeklingelt hat.
"Firma Schneeflocke*", sagt der Mann vor dem Fenster, als er mich dort gefunden hat, "wir haben hier einen Katalog für Sie." Ich habe den nicht bestellt und verstehe nicht, warum er ihn nicht einfach in den Kasten geworfen hat, nehme ihn aber, sage artig Danke und Tschüss und will das Fenster wieder schließen. "Wenn Sie sich den Katalog in Ruhe angeschaut haben, möchten wir Sie gerne anrufen, um Ihre Bestellung aufzunehmen", sagt der Mann schnell, und ich verstehe das Prinzip. "Dürfen wir Sie anrufen?" Eigentlich nicht, denke ich, kein Bedarf an telefonisch georderter Tiefkühlkost, aber es überrollt mich eine kleine Welle der Sentimentalität, da meine Mimi von dieser Firma beliefert wurde (oder vielleicht auch nur belagert, ich weiß es nicht, jedenfalls kenne ich diese Marke von ihr), und ich sage "okay." "Sie sind....", der Mann fährt mit dem Zeigefinger auf den Klingelschildern entlang, "Frau Müller?" Dieser Moment war fast schon zu lang, die Sentimentalität lässt merklich nach und ich würde ihm den Katalog gerne einfach zurückgeben, sage dennoch "nein, Frau Percanta...", was er notiert. "Wann erreichen wir Sie am besten?", er ist jetzt sehr beflissen. Zwischen Mitternacht und 2 Uhr früh, will ich sagen, biete aber ein "vormittags?" an. Er kreuzt "Vormittag" an, dann brauche er bitte noch meine Telefonnummer. Ungern, aber diese Sentimentalitätswelle hat irgendwie die Rückzugsmöglichkeiten abgeschnitten; das scheint es zu sein, das Mittel der Kundenbindung: Bringt die Produkte an die Frau, die sie von der Großmutter kennt. "Ja?", sagt er, "die Telefonnummer?"
"1 1 2 3 3 4 5**", sage ich. Er wiederholt beim Notieren: "1 2 3..." ."1 1 2" korrigiere ich, und er echot "1 1 2", ich: "3 3", er "3 3", ich "4 5", er "3 4 5".
"Frau Perkanta, x Vormittags, 1 2 3 1 1 2 3 3 3 4 5" steht nun auf seinem Formular. "Sie müssen noch unterschreiben, dass Sie einverstanden sind mit unseren Anrufen", erklärt er und reicht mir den Block ans Fensterbrett. Ich werfe einen kurzen Blick auf den Zahlensalat und meinen Namen, schaue ihm dann fest in die Augen und unterschreibe.
Er gibt mir den Durchschlag, hatte aber möglicherweise kein Kohlepapier zwischengelegt, lesbar ist jedenfalls nichts. "Wir rufen Sie dann an", sagt er. "In Ordnung", sage ich, lächele, wünsche noch einen schönen Tag und schließe das Fenster. Kurz bevor ich wieder in der Wohnung bin, höre ich ihn an der Gegensprechanlage "Herr Müller? Guten Tag, ich hätte hier einen Katalog für Sie." Herr Müller dankt, sie kaufen nichts.
Ich frage mich nun, ob der Grundsatz der Sittenwidrigkeit von Haustürgeschäften auch für Fensterrahmengeschäfte gilt. Und warte auf den Anruf der Firma Schneeflocke.

* für dieses Blog leicht chiffriert.
**
für dieses Blog leicht chiffriert.

Samstag, 19. September 2009

Zurück ins Regal [5]

Dieses "Zurück ins Regal" ist ein Skandal. Seit ich vier bin habe ich nicht so wenig gelesen wie in diesem Jahr, in dem ich darüber schreibe. Geschrieben habe ich über meine Bücher zwar auch letztes Jahr, aber anders, und das Ergebnis wartet auch noch auf seine Publikation. Noch so ein Punkt auf der ganz großen To-Do-Liste. Dennoch wirft die [5] da oben ein womöglich noch schlechteres Licht auf mich, als es tatsächlich sein müsste. Denn ich habe nicht nur [fast] nicht gelesen, ich habe außerdem nicht darüber geschrieben. Jetzt also in schneller Folge die erbärmlich wenigen Bücher der letzten Zeit.
Das hier wird Sie interessieren:

Hartmut Stenzel: Einführung in die spanische Literaturwissenschaft. 2. Auflage, Stuttgart / Weimar: Metzler 2005. 280 Seiten.

Wir hatten einige Hoffnungen darauf gesetzt, nachdem wir vorher meist mit Einführungen in die Germanistik jongliert und die historischen Befunde und die Terminologie und die Genre-Besonderheiten für unser Fach nebenher zugefüttert hatten. Knapp gesagt: Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Schön ist, dass Narrativik, Drama und Lyrik vorkommen. Einiges ist aber nicht ganz sauber und bleibt wolkig, besonders im 1. Teil "Allgemeine Fragen: Literatur und Literaturwissenschaft"; an Einzelstellen, besonders bei der Analyse von Prosa, werden die Wolken zu Fehlern. Schön und geradezu bestechend ist auch die Idee, eine Literaturgeschichte direkt in die Einführung zu integrieren und den Theorieteil mit Beispielen aus Texten, die hinten in der Literaturgeschichte kontextuell verortet werden, zu verbinden. Schade nur, dass diese Verknüpfung nicht funktioniert. Es gibt einige Verweise zwischen Theorie und Textbeispielen, wo man über ein "hm" oder "ach so?" nicht wirklich hinauskommt. Bestenfalls. Das ist vielleicht die größte Enttäuschung. Und da der Literaturgeschichtsteil nicht wie erhofft direkt für den Theorie- und Analyseteil verwendet werden kann, fällt die für diese Verknüpfung in Kauf genommene Schmalheit des Analyseteils doch wieder ins Gewicht. 40 Seiten Anleitung zur "Analyse und Interpretation" (von 280 gesamt) scheint mir dann arg wenig zu sein.
Wir müssen wohl doch selbst ran.
Die Einführung in die spanische Literaturwissenschaft steht jetzt zwischen J. Schulte-Sasse / R. Werner: Einführung in die Literaturwissenschaft und Heinz Ludwig Arnold / Heinrich Detering (Hg.): Grundzüge der Literaturwissenschaft im kleinen Regal am Schreibtisch. Für ungefähr zwei Wochen, dann gehts von vorne los.

Freitag, 18. September 2009

Eins, zwei, eins, zwei, Test

*räusper*
*klopf aufs Mikro*

Funktioniert das hier noch?
Ist noch jemand da?
Und der Ton?
Und ich?
Hm. Ich überleg mal, wo ich anknüpfen kann.

*räusper*

Montag, 31. August 2009

Papier

Fünf Tage vor der Taufe, bei der wir lauter Besuch bekommen und im Arbeitszimmer ein Teil des Buffets aufgebaut werden soll, sortiere ich endlich und jetzt aber wirklich die Papierstapel, die seit dem Einzug um den Schreibtisch herum und vor den Regalen liegen. Beim letzten Versuch, diese Stapel zu entstapeln und wegzuräumen, hatte ich sie gerade komplett auf dem Fußboden ausgebreitet, nur um am Abend mit Blasensprung ins Krankenhaus zu gehen. Mann, Brüder und Eltern haben dann alles zusammengeschoben (und Regalbretter angedübelt und das Babybett aufgebaut), während ich weg war, und seitdem liegen sie da, es ist erstaunlicherweise nichts dazu gekommen außer Staub, aber abgetragen habe ich auch nichts. Aber! jetzt!
Und ich schmeiße weg. Das ist wirklich nicht meine Stärke, aber jetzt trenne ich mich.
Von den Unterlagen Proseminar II Mediävistik.
Von Fragebögen an Studenten meines Gastseminars.
Vom Angebot für eine Hausratsversicherung für die drittletzte Wohnung.
Von Klausuren für meine peruanischen Schüler.
Von der Immatrikulationsbescheinigung 2. Semester.
Von all den erfolglosen Bewerbungen um Preise und Stipendien. Und den Antworten.
Von den Passiv-Arbeitsblättern.
Von der Mahnung, Bücher bis zum 24.10.1999 zurückzugeben.
Vom Konzept des seit vier Jahren gedruckten Aufsatzes.
Von den Notizen für die Mündliche.
Von den Fahnen.
Vom Kinoprogramm August 2007.
Von den PIN- und TAN-Nummern des Studentenausweises.
Von den Korrekturfassungen der Magisterarbeit.
Ich trenne mich! Dabei sind manche Dinge sogar jünger als 10 Jahre.

Ich bin schuld an der Abholzung des Regenwaldes, ich allein.
Aber ich hebe ihn wenigstens auf!

Freitag, 21. August 2009

Insel


Das war er schon, unser erster Urlaub zu dritt.

Mi ping de Müng

Zwar habe ich mich einmal nachsichtig gegenüber Mückenstichen geäußert, denn das Kratzen an Quaddeln und das kreuzförmige Eindrücken der Nägel in die juckenden Stellen - weil man ja nicht kratzen soll - und Löwenzahnmilch oder Spucke auf den Beulen, all das sei nun mal Teil des großartigen Sommers.
Aber.
Allein auf dem linken Schienenbein 36 Stiche, davon 29 eitrig entzündet, davon 8 schwer. Das ist nicht mehr lustig.
Ich sehe aus, als wäre ich nachts durch Nato-Stacheldraht gestolpert.

Samstag, 8. August 2009

Achter August am Gartentor



Und alles Gute zum Geburtstag, Bruder #1
.

Freitag, 31. Juli 2009

Montag, 20. Juli 2009

Zu Ende gedacht

Gestern gab es einen Dokumentarfilm über eine Hebamme und Geburtshilfe. Es klang sehr spannend, eine Hebamme und ihre Arbeit in Deutschland und Afrika. Abgesehen von einigen erwarteten Merkwürdigkeiten, auf die man sich bei so einem Film einstellen und die man in Kauf nehmen kann, gab es allerdings einige höchst fragwürdige Stellungnahmen der Protagonisten. Einiges habe ich zugegebenermaßen wegen meines eigenen unruhigen Babys nicht ganz aufmerksam verfolgt, doch obwohl mich die Thematik sehr interessiert und ich mich auf die Dokumentation gefreut hatte, erinnere ich heute im wesentlichen Aspekte des Films, die mir zunehmend sauer aufstoßen. Dumm fand ich beispielsweise, dass beim Thema Hausgeburt der eine Arzt erst nachvollziehbar erklärte, dass 80 - 85% der Geburten problemlos verliefen und darum durchaus auch zu Hause stattfinden könnten, in den verbliebenen Fällen aber doch mehr medizinische Betreuung nötig sei - dann aber nachschob, im Prinzip seien Krankenhäuser überflüssig, vor 500 Jahren seien schließlich auch Menschen geboren und hätten überlebt, "sonst gäbe es uns ja nicht". Ja, aber die Art kann auch erhalten werden, wenn nur das Kind durchkommt und die Mutter draufgeht, oder wenn eben nur 80 - 85% der Geburten mit einem lebendigen, gesunden Kind enden. Der Evolution (und dem lieben Gott) sind die übrigen 15 - 20% herzlich egal, und der Arzt hatte die offenbar auch mal kurz vergessen, als er in die Kamera sprach. Furchtbar aufgeregt habe ich mich dann über die Aussage einer Hebamme, es bestünde ein "wissenschaftlich nachgewiesener Zusammenhang" zwischen Kaiserschnitt und Autismus beim Kind. So! Ein! Quatsch! (Wenigstens ließen sie die gefährlichen Hypothesen der Impfgegner zur Autismus-Entstehung außen vor, aber so etwas macht mich wirklich wütend.) Bitte zu Autismus fundiert weiterlesen bei Moni.
Überdies nahm der Film dann eine merkwürde Wende und geriet passagenweise zu einer Verklärung der DDR, die ich als überaus ärgerlich empfunden habe. Diese Verklärung war meines Erachtens meistens völlig vom eigentlichen Plot der Doku abgekoppelt und lediglich durch den Standort Chemnitz motiviert; nur in Einzelfällen - dass beispielsweise im Westen ja noch weniger gestillt würde als im Osten - wurden Zusammenhänge zwischen Ostalgie und Hebammen-Handlung hergestellt. Wie die im Trabi sitzende Frau, die vom Damals-alles-besser schwärmte, konzeptuell zur Geburtshilfe-Thematik gehört, hat sich mir jedenfalls bis zum Ende nicht erschlossen, warum man ihre Beiträge nicht zusammengeschnitten hat, auch nicht: Natürlich, im kapitalistischen Deutschland sind die Äpfel chemie-verseucht, aber in der DDR waren die Äpfel toll und man konnte sie "mit Stumpf und Stiel" aufessen, natürlich, richtig, weil ja alles so bio und so öko war damals. Gerade in Bitterfeld, oh ja, wollte man einwerfen, aber ein Kommentar dieser Art fehlte. Zwischen Rat- und Fassungslosigkeit schwanke ich bei selbstgerechten Urteilen wie dem des jungen Arztes, der offenbar allen Ernstes sinngemäß behauptete, letztlich seien die Mauer- und Grenztoten selbst schuld daran, dass sie erschossen worden seien. Wenn da groß stünde, dass man da nicht rüber soll, dann mache man das eben nicht. Alles andere sei "grob fahrlässig".
Dringend möchte ich an dieser Stelle noch einmal die Lektüre von Anna Funder: Stasiland empfehlen.

Sehr lachen musste ich aber über den Kommentar meiner Mutter, die man sich bitte als eine sanfte und unschuldig wirkende Frau vorstellen möchte: Zwei Hebammen lungerten auf einem Kreißbett herum und schwärmten bei Kerzenlicht und rötlichen Wänden von der kuschligen Atmosphäre des von ihnen selbst gestrichenen Gebärzimmers, sprachen von Liebe und Geborgenheit und - tatsächlich - vom vergleichbaren Stöhnen bei "richtig gutem Sex" und bei Geburten. Sie würden daran glauben, sagten sie, dass ein Kind in einer Umgebung geboren werden sollte, die der Umgebung und Situation möglich ähnlich sein sollte, in der es gezeugt worden ist.
"Was", rief meine Mutter, "in einem Auto?!"

Samstag, 18. Juli 2009

Zweierpasch

2x schlechtes Marketing:

* Die Dame am Schalter bei der Deutschen Bahn, die einer Kundin mit Kind gerade einen Familiensatz Bahncards verkaufte, ein gutes Geschäft, ein Kunde, den man halten sollte, will man meinen. (Mal vom "was sich gehört" ganz abgesehen). Das Kind machte alles mit, ließ sich bereitwillig vor etwa 20 Zuschauern für die Karte fotografieren und wartete dann schweigend neben seiner Mutter, während die Bahn-Frau in einem Katalog irgendwelche Zahlen suchte. Und suchte. Und suchte. Das Kind begann, mit dem Kugelschreiber zu knipsen. Knick-nick. Knick-nick. Knick-nick. Die Bahn-Frau sah auf, schleuderte dem Jungen einen Blitz zu und herrschte ihn vor seiner Mutter an: "HÖR! SOFORT! DAMIT! AUF!"

* Die Eisdiele, die am heißesten Tag des Jahres ein Schild an die geschlossene Glastür hängt: "Wegen Krankheit geschlossen."

2x angesprochen worden:

* Beim Frisör bin ich noch nicht dran und sitze etwas zurückgezogen in einer Ecke und stille. Den Kopf vom Baby und meinen Brustansatz habe ich mit einem Tuch abgedeckt. Eine frisch frisierte ältere Dame kommt an mir vorbei, stellt sich hinter mich und legt mir ihre erstaunlich rotlackierten Finger auf den Arm: "Och, ist der süß." Ich nicke. Sie beugt sich über meine Schulter nach vorne, schiebt das Tuch von meiner Brust und vom Kind, das sich sofort abdockt: "Duzti-du, bist Du niedlich. Nicht stören lassen, schön weiter trinken."

* Mann auf dem Spielplatz, blickt in den Kinderwagen: "Boah, ist das ein fettes Baby. Naja, Hauptsache gesund, wa?"


2x im Vorbeigehen aufgeschnappt:

* Eine junge Frau zu einem jungen Mann: "Ich hab ja einen Zwillingsbruder."
Junger Mann zu junger Frau: "Einen Zwillingsbruder? Wie cool! Seht Ihr genau gleich aus?"

* Einer aus der Gruppe Trunkener vor dem Plus: "Ich weiß aus dem Computer, das beste Sternzeichen, was man haben kann, ist Mond. Mond. Das beste Sternzeichen. Haste Glück gehabt."

Donnerstag, 16. Juli 2009

Und sie suchen das Wort

Ende des Sommers soll unser Heidenkind getauft werden, der Termin steht, die Paten sind gewählt und haben zugesagt, nun suchen wir einen Taufspruch. Dies ist erwartungsgemäß kein ganz einfaches Unterfangen. Welches Wort sollen wir dem Söhnchen mitgeben? Was soll ihn leiten, begleiten, sollen wir ihm etwas wünschen oder weise Worte zuraunen?
Wie so oft hilft auch hier die Musik. Am Wochenende probten wir Mendelssohns doppelchörige Motetten op. 78, und in Nr. 1 dachte ich schon, einen hübschen Taufspruch gefunden zu haben, nämlich Psalm 2, 12:
"Küsset den Sohn!"
Allerdings, dachte ich dann, ist diese Aufforderung vielleicht ein wenig zu stark von Mutterstolz geprägt. Überdies geht es nicht allzu versöhnlich weiter: "Küsset den Sohn, dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen. Aber wohl allen, die auf ihn trauen!" Hm. So einen kleinen Jähzornigen sollten wir uns vielleicht nicht gezielt heranziehen.

Zum Glück geht aber Opus 78 noch weiter, und in Nr. 3 ("Mein Gott, warum hast Du mich verlassen"), der Vertonung des 22. Psalms, wurde ich fündig. Psalm 22, 21. Das ist es:
"Hilf mir aus dem Rachen des Löwen und errette mich von den Einhörnern."
Perfekt. Die Patin meinte zwar, sie würde dann wohl vor Lachen das Kind ins Taufbecken fallen lassen und man könnte uns mangelnden biblischen Ernst vorwerfen. Ich aber denke, man sollte sich nicht so leicht verunsichern lassen. Errette mich von den Einhörnern!

Montag, 13. Juli 2009

Guckt


Da wohnt einer und guckt mich an.
Aber wie heißt er? Wisst Ihr es?

Weitere Zeichen

Weitere "Zeichen für eine müde Mama":
4. Ich vergesse, dass es mehr als 3 Zeichen sind.
5. Ich weiß Namen mir vertrauter Menschen nicht mehr. "Ja, klar, ich meine - äh. Na, wie heißt er? Der eine Tenor aus unserem Chor, der nette. Der auch mein Kollege ist. Du weißt schon, der Vater von der Kleinen, von Dings, wir haben bei ihrer Taufe gesungen. Na. Wie bei, bei, bei. Bei seinem Sohn hatten wir doch auch gesungen, bei, na, wie hieß der Sohn? Du weißt wen ich meine?"
6. Ich packe für den Wochenendausflug Shampoo und Kontaktlinsenlösung in eine Plastiktüte und die kleine neue Kamera in eine andere, ähnliche, aber viel kleinere Tüte. Kurz vor Abreise und nach dem letzten Wickeln denke ich mit, haha, und werfe den nassen Waschlappen nicht einfach in die Reisetasche, sondern tu ihn in die Plastiktüte. Mit der Kamera.

Sonntag, 12. Juli 2009

Mude

Ich bin mude. So mude, dass ich die Punkte nicht mehr sprechen kann. So etwa sagte mein Großvater.
Dabei fühle ich mich gar nicht mude, nicht mal besonders müde! Es verdichten sich allerdings die Hinweise, dass ich nach fünf Monaten mit Baby und am Ende des Semesters doch einen gewissen Grad an Grunderschöpfung und damit einhergehender Unberechenbarkeit erreicht habe. Analog zu den bewährten "drei Zeichen für gesunde Zähne" (weiße Zähne, rotes Zahnfleisch, keine Insekten in den Zahnzwischenräumen) sind nun zumindest "drei Zeichen für eine müde Mama" auszumachen:

1. Ich kann einschlafen.
2. Ich stelle das Pumpbesteck und die Flasche zum Abkochen auf den Herd, stelle die Platte auf 6 und gehe, während das Wasser heiß wird, kurz Zähneputzen. Und dann direkt ins Bett.
3. Ich schaffe es oft nicht mehr, einen Blogeintrag zu Ende zu s

Sonntag, 28. Juni 2009

Dieses eine neuartige Sportgerät da


Gefunden von Hermano #1 in Kiel.

Dienstag, 23. Juni 2009

Patent! Patent!

Nach Alexander Flemings beiläufiger Entdeckung des Penicillins und der Zufallsentdeckung des Teflon durch den Kühlschrank-Kühlmittelsucher Roy Plunkett (inklusive Falscher-Feder-Ruhm für die NASA) belegt meine heutige en passant gefundene Medikamenten-Nebenwirkung einen guten dritten Platz in der Geschichte der grandiosen Abfallprodukte menschlichen Forschens.
Nach aufwendigen Experimenten mit Füßen und Salben war es in den heutigen Morgenstunden - für wache Wissenschaftleraugen - nicht mehr zu übersehen: Voltaren, schon lange im Verdacht, ein Allheilmittel zu sein, funktioniert auch als Nagellackentferner.
Sollten sich eines Tages vermehrt resistente Nagellackstämme bilden, denen kein handelsüblicher Nagellackentferner mehr etwas anhaben kann, dann wird man sich glücklich schätzen, mit Voltaren ein ebenso unverbrauchtes wie potentes Mittel in der Hinterhand zu haben. Ich lasse mir die Entdeckung gleich patentieren.

Sonntag, 21. Juni 2009

Käferlein

Und wenn man dann überlegt, was wohl prägender war, die frühen Kinderjahre in der katholischen Bischofsstadt im Süden oder die späteren am Flottenhafen an der Nordsee, dann fliegt er grüßend vorbei, der schwarzgepunktete Marinekäfer.

Freitag, 19. Juni 2009

Johannisbeeren und Zirkus Pauli

Die ersten fünf, fast sechs Jahre meines Lebens habe ich im Süden gelebt, meine Freunde sprachen Dialekt und haben mir das rollende R beigebracht, was für meinen heutigen Beruf nicht unwichtig ist. Eine Freundin hatte einen reimenden Namen (Julia Schmulia*), die anderen waren alle adelig, nämlich die Simone von Schmidts* und der Wolfi von Schumanns* und der Johannes von unten. Vor allem war da Johannes von unten, Johannes war mein bester Freund und meine erste Liebe, obwohl er später nicht mehr so viel mit mir gespielt hat, als er in die Schule ging und Jungensfreunde hatte und ich noch ein kleines Kindergartenmädchen war. Wir sahen aus wie Zwillinge, trugen beide Pilzkopf und große Knieschoner über den Rollschuhen, und unsere Schlümpfe konnten wir auseinanderhalten, weil meine einen schwarzen Punkt unter den Füßen hatten. Als ich als Protestantin vom Sternsingen ausgeschlossen war, ohne dass ich den Grund verstand, haben wir uns verkleidet und sind als die Heiligen zwei Könige durch das Haus gegangen und haben gesungen, bei seinen und bei meinen Eltern. An dem Tag, als ich Fahrradfahren lernte, hat er mich im Rennen gewinnen lassen mit meinem kleinen blauen Rad, und für mich war es ausgemachte Sache, dass wir zusammengehören. Als wir in den Norden zogen, galt mein heftiges Heimweh, das erst gegen Ende der Grundschule nachließ und nur bei fränkisch sprechenden Touristen an der Eisdiele wieder aufflackerte, vor allem ihm.
Meine neuen Freunde aus der neuen Nachbarschaft hat diese Fernliebe sicher irritiert, so wie mein geerbtes Dirndl, das ich genau einmal zusammen mit schwedischen Clogs trug und mir dabei entsetzlich verkleidet vorkam, oder mein nicht lupenreines Norddeutsch. "Kiasche, nicht Kürsche!" Wenn wir nicht wussten, was wir spielen sollten (außer in der Sandkiste oder Hallihallo oder mit unseren Fahrrädern und Kettcars im Kreis fahren oder mit ganz von alleine kaputt gegangenen Tontopfscherben auf der Straße malen oder Kaulquappen aus dem Graben fischen oder auf Stelzen rückwärts laufen) und wir uns langweilten und keiner mehr Vorschläge machte, dann fragten sie mich, was wir denn gespielt hätten, dort im Süden, und ich konnte auch nicht genau sagen, was der Unterschied war, aber Langeweile konnte ich nicht erinnern. Doch wenn sie Johannisbeeren pflückten, habe ich geweint. Später wollte mich Christian heiraten, der einzige Südamerikaner der Schule, er hat mir erst einen Kaugummiautomatenring geschenkt und dann einen aus sieben Einzelringen bestehenden Silberring seiner großen Schwester (ich habe ihr dann in ihrem Heimatland einen ähnlichen gekauft, nachdem ich gut 20 Jahre später tatsächlich einen Mann von dort geheiratet hatte - und doch nicht meinen Johannes, mit dem ich nur zu Beginn des Studiums noch einmal einen halb gemalten, halb geschriebenen Briefwechsel geführt hatte und seitdem nie wieder Näheres gehört.)
Als ich mit fast sechs Jahren dazu kam, waren die meisten anderen Kinder schon zu zweit, und wir haben dann Dreierallianzen gebildet, ich habe mit MiriundSonja* gespielt und mit FraukeundDaniel. Aber FraukeundDaniel blieben immer mehr FraukeundDaniel als FraukeDanielundPercanta. Das konnte man daran erkenne, dass sie mich zum Beispiel beim Indianerspielen an die Birke bei Daniel im Garten fesselten und dann woanders spielen gingen, während ich als "Kleine Wolke" am Marterpfahl den Mücken und dem langen Nachmittag ausgesetzt war. Aber Indianer kennen keinen Schmerz und ich habe mich nicht beschwert.
In einem Sommer aber haben wir zu dritt einen Zirkus gegründet, Zirkus Pauli war unser großes gemeinsames Projekt, so ähnlich wie Eva-Lotta und Anders und Kalle Blomquist, und wir haben geübt und Plakate gemalt und Handzettel in die Briefkästen gesteckt, wir haben Stühle in den Garten gestellt und einen Vorhang zwischen die Birken gespannt, wir haben 20 Pfennig Eintritt genommen und schließlich waren alle Nachbarn aus der Sackgasse in unseren Garten gekommen. Frauke, die eine Brille hatte und die Älteste war, war Zirkusdirektor, und ansonsten waren alle alles. Geturnt wurde am Klettergerüst, mit mörderischen Absprüngen von der Schaukel und vom oberen Balken der Leiter, zu den Akrobaten gehörte auch eine kompliziert choreographierte Übung mit mehreren auf dem Boden liegenden Reifen, bei der wir viele Brücken machten. Außerdem gab es eine schöne Tiernummer mit einem Pferd, das zwei Beine von Frauke und zwei von Daniel hatte und eine nach Stall riechende Decke und einen Steckenpferdkopf, und ich führte es mit einer Gerte und in den Reiterstiefeln meiner Mutter im Kreis herum. Das war bestimmt ganz famos, wie Eva-Lotta gesagt hätte. Da Frauke Sportgymnastin war, ich in jener Zeit beharrlich daran arbeitete, auf Händen so gut zu gehen wie auf Füßen, und sich Daniel mit dem verzweifelten Ehrgeiz des einzigen Jungen der Gruppe ins Radschlagen gestürzt hatte, war die Akrobatennummer vielleicht gar nicht so schlecht, nicht für Grundschüler jedenfalls. Legendär geworden sind aber die Zauberer, die keine Zeit und Geduld gehabt hatten, aus den Zauberbüchern Tricks vorzubereiten und sich darum auf die Präsentation eines Chapeau-claques beschränkten, und die sehr lustigen Clowns, die wahnsinnig komisch hinter dem Vorhang hervorstolperten, an ihren Kleidern, Perücken und Nasen zupften, die Fußspitzen nach innen drehten und dann unter dem, nun ja, donnernden Applaus wieder aus der Manege verschwanden.
Aufgrund des großen Erfolgs machte die Zirkuscompagnie ihre Drohung wahr und trat im folgenden Sommer wieder auf. Dieses Mal konnten die kleinen Brüder nicht mehr beide im Laufstall als wilde Raubkatzen präsentiert und dadurch aus den Proben herausgehalten werden, so dass Bruder #1 einen sensationellen Gastauftritt bekam: Mit einem roten Sturzhelm und meinen alten Rollschuhknieschonern drehte er wie der Blitz auf dem gelben Dreirad mit schwarz-weiß-kariertem Formel-1-Sattel eine Runde um die Manege. Niki Lauda im Zirkus! Das war wirklich unerhört.
Irgendwann nach dem Schlussapplaus hat sich auch die Verbindung zwischen uns dreien gelöst. Die Artistin und Zirkusdirektorin hat Sport studiert, der Zauberer hat heute zwei Kinder
und Niki Lauda neuerdings ein Motorrad. Johannisbeeren sind nicht mein Lieblingsgemüse, und ich denke bei ihrem sauren Geschmack zwar immer an das moosige Gartenstück hinter dem Haus, wo der Johannisbeerstrauch steht, weinen muss ich jedoch nicht mehr. Wenn wir aber eine dilettantische Moderation sehen, eine beschämend laienhafte Darbietung auf viel zu großer Bühne, ambitioniertes Schauspiel oder Musizieren Erwachsener mit wenig Talent aber Publikum, dann seufzen wir und sagen "Zirkus Pauli".


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*Name von der Redaktion geändert, aber baugleich.